Rot ist mein Name

Spät bin ich ihm begegnet, dem Roman „Rot ist mein Name“ (1998, Orhan Pamuk), der bereits 2001 in deutscher Übersetzung erschien.

Die Geschichte des Romans spielt in Istanbul, im Jahre 1591. Nachdem ich vor einigen Monaten das Buch gelesen hatte, konnte ich es kaum begreifen nicht schon von vielen darauf hingewiesen worden zu sein. Wie schade, dass ich – des Türkischen nicht mächtig – den Text nicht mit dem „Klang“ der Originalsprache lesen konnte. Dennoch hatte ich dank der Übersetzerin Ingrid Iren manchmal den Eindruck ich könnte es.
Monate sind inzwischen vergangen, aber meine Begeisterung über das Buch als solches, besonders und vor allem aber über die wahrhaft großartige Beschreibung der Farbe an und für sich, hat nicht nachgelassen. Lest selbst. In Kapitel 31 spricht das Rot:*

„Ich höre euch fragen: Wie ist das, wenn man eine Farbe ist? Farbe ist die Berührung des Auges, die Musik der Taubstummen, ein Wort in der Dunkelheit. […] Und wie glücklich bin ich, Rot zu sein! Mein Inneres brennt. Ich bin stark; ich weiß, daß ich wahrgenommen werde, und auch, daß ihr mir nicht widerstehen könnt.“

Und so könnte ich Seite für Seite zitieren, eine Auswahl fällt schwer…

„Ich verberge mich nicht: Für mich verwirklicht sich Feinheit nicht durch Schwäche oder Kraftlosigkeit, sondern nur durch Entschlossenheit und Willenskraft. Ich zeige mich offen. Ich fürchte mich nicht vor anderen Farben, Schatten, vor Massengedränge oder gar Einsamkeit. Wie herrlich, eine mich erwartende Oberfläche mit dem Feuer meines Sieges auszufüllen! Wo ich mich verbreite, glänzen die Augen, erstarken die Leidenschaften, heben sich die Brauen, schlagen die Herzen schneller. Seht mich an, wie schön ist es zu leben! Betrachtet mich, wie schön ist es zu sehen! Leben ist sehen. Ich bin überall sichtbar. Glaubt mir nur, mit mir beginnt das Leben, zu mir kehrt alles zurück.“

Das ist so wunderbar gesagt, dass es sich jeder zusammenfassenden Beschreibung entzieht. Neben dieser mit Worten gemalten Charakterisierung des Rot kreist die Handlung des Romans um die Frage, ob überhaupt etwas und wenn ja was und wie etwas abgebildet werden darf. Die Frage danach stellt sich auf dem Hintergrund der großen monotheistischen Religionen ganz zentral. Keineswegs nur im historischen Kontext vergangener Zeiten und auf theologische Weise. Tatsächlich manifestierte sich dieser Streit durchaus handfest mit Mord und Totschlag. So auch im Roman Orhan Pamuks, der auf die entsprechenden Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts aufbaut. Man denke aber durchaus auch an die aktuelleren Geschehnisse rund um die Mohammed-Karikaturen, oder an die dunkle Periode des christlichen Byzanz, als sich über hundert Jahre hinweg „Bilderfreunde und Bilderfeinde“ (Ikonokluden und Ikonoklasten) fanatisch bekriegten, was zu einer weitreichenden Vernichtung von Ikonen, zu Verfolgung und Tod von Menschen, zu Emigration von Künstlern führte, oder an die Bilderstürmer in der Frühzeit des Protestantismus.

Aber keine Angst, das Buch ist kein trockener Gelehrten-Ausfluss, sondern durchweg spannend geschrieben, farbig in der Sprache, Stück für Stück poetischer Lese-Genuss.

Auf andere Aspekte des Buches, Bezüge zur aktuellen Situation der Türkei einzugehen verkneife ich mir, diese sind gleichwohl offensichtlich gegeben, ich erlaube mir das Buch ganz voreingenommen als Maler – von meiner spezifischen Warte aus – zu betrachten.

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